Wie ist arbeiten im Hostel wirklich?

14.05.2019

Die Welt besucht mich während meiner Arbeit in einem Hostel. Die Gäste, die ich zu betreuen habe, kommen aus den USA, Südafrika, England, Japan, Kanada, Frankreich - aus der ganzen Welt. Sie kommen nach Berlin um zu arbeiten oder zu Backpacken - aber die Meisten von ihnen kommen, vor allem um eins zu tun: feiern.

Ich checke sie ein, gebe Bier und Kaffee aus und bin für alles andere zuständig, was im Hostel während meiner Schicht passiert. Wir Rezeptionisten arbeiten in der Nachtschicht immer alleine. Aber Achtung: Nachtschicht klingt schlimmer als es ist, tatsächlich arbeite ich "nur" bis Mitternacht und dann ab 7:00 morgens wieder. Es ist die beste Zeit um die Gäste kennenzulernen. Denn nach 18 Uhr, wenn meine Schicht beginnt, stoppen fast alle der Gäste mal auf ein Bier oder haben Fragen zu Berlin, über die ich mit ihnen in Kontakt komme.

Bereits nach dem ersten Satz ist es meistens klar, von wo die Reisenden kommen. Franzosen erkennt man am fast ausnahmslos schlechten Englisch und dem leicht fragenden Unterton in der Stimme. Sie sind einen hohen Standard von Hotels gewohnt und wissen so oft nicht genau, wie sie mit einem Hostel-Aufenthalt umgehen sollen. Franzosen haben Klasse - das selbst im Hostel.

Von anderen Nationen kann man das nicht unbedingt behaupten.

Somit jetzt ganz außer Kontext zu den Gästen aus den USA: Ich muss sie nicht mal fragen, woher sie kommen. Denn sie erzählen meist bereits im dritten Satz, dass sie aus "Philadelphia" oder "Oregon" sind. Sie werden gerne spezifisch mit ihrem Herkunftsort und bombardieren den armen Franzosen (mit sehr rudimentären Englisch Kenntnissen) daneben oft mit einer eher unbekannten Stadt in South Carolina, die doch wohl jeder kennen sollte. Mein Freund Henri, der mich gerne im Hostel besucht und mit den Gästen quatscht, hat das ganze gut zusammengefasst: Ein südafrikanischer Gast fragte zwei andere Jungs an der Rezeption, ob sie aus Kanada oder den USA kommen. "Aus Kanada, wären sie aus den USA hätten sie es uns in den letzten zehn Minuten sicher schon drei Mal erzählt" vermutet Henri. Und - siehe da - er hat recht. Die Amis, die ich oft im Hostel erlebe, sind laut, erzählen viel und stehen eigentlich ausnahmslos im Mittelpunkt. Oft sind sie diejenigen, die andere Gäste ansprechen und so eine gute Atmosphäre schaffen. Sie sind meist nur wenige Tage in Berlin und wollen das Meiste aus der Zeit machen: Das heißt wenig Schlaf - denn nach einem Tag mit vollem Programm geht es weiter in den Club, manchmal sogar bis nach sieben Uhr morgens, wenn ich wieder an der Rezeption sitze und sie ausgelaugt und abwesend zurückkommen sehe.

Noch ein weiteres Klischee kann ich aus meiner Sicht bestätigen: Kanadier sind wirklich freundlich und haben weniger Mitteilungsbedürfnis als ihre Nachbarn. Auch Südafrikaner habe ich gerne im Hostel. Ich nehme sie meist als unkompliziert und immer lustig drauf wahr. Wenn Argentinier reinspazieren freue ich mich besonders - sie sind bei den Partys, die oft in unserem Wohnzimmer stattfinden, immer dabei, aber selten anstrengend. Die argentinischen Gäste in "meinem" Hostel und sind meist lustig drauf, benehmen sich trotzdem und sind für mich Leute, mit denen ich meinen Abend gerne verbringe.

Leider muss ich aber an der Rezeption sitzen bleiben und Reservierungen einbuchen, Bier nachschenken und Anreisende einchecken. Aber die Party kommt einfach zu mir. Oft bleibt ein Gast noch lange an der Rezeption stehen, teilweise sogar Stunden, nachdem ich ihm sein Bier ausgeschenkt habe, und wir unterhalten uns über Berlin und die Welt. Schon oft wurde ich gefragt, von wo ich denn komme. Ich finde es durchaus erstaunlich, dass die Leute nicht annehmen, dass ich Deutsch sei, und frage so manchmal nach. Aber "Ich wirke nicht Deutsch". Noch merkt man mir mein österreichisches Herz also an.

Während der letzten neun Monate im Hostel hatte ich durchaus schon schlechte Erfahrungen mit Gästen, kann sie aber an einer Hand abzählen. Leute die ins Hostel kommen, wissen, was sie erwartet und dass es hier anders zugeht als in einem Hotel. Das Bett müssen die Gäste zwar selbst überziehen, dafür sind neue Freundschaften und interessante Gespräche quasi garantiert. Das ist doch das, was Backpacken ausmacht - und ich bin froh, Teil davon zu sein.

Außerdem bin ich sehr dankbar, dass Gäste in stressigen Situationen fast immer Verständnis für Wartezeiten haben - das ist der Vorteil des Bierverkaufs im Hostel. Eine Flasche Bier während der happy hour um 1,5 Euro ist ein unschlagbares Angebot. Mein Job wird aber viel zu oft fehlinterpretiert und ich werde um detaillierte Bierbeschreibungen gebeten. Ich weiß gerade mal, dass ein Schwarzbier wahrscheinlich dunkel ist, danach hört mein Wissen aber ganz schnell auf. Nicht nur den Deutschen ist ihr Bier wichtig, auch die Touristen haben hier besonders viel Interesse an Bier und seinen Inhaltsstoffen. Meistens lächle ich freundlich, entschuldige mich mit "I´m not from Germany" und drücke ihnen das Bier in die Hand, dass die drei Kunden vor ihnen schon gekauft haben. Und weil wir ja in Deutschland sind, und Bier hier bekannt ist, muss es ja sowieso gut sein.

Einen Hostelbetrieb mal von der anderen Seite kennenzulernen, hat mich vor allem eines gelehrt: Sei nett zu der Person an der Rezeption! Denn fast alles ist möglich, wenn sie dich besonders mögen. 

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