La Vie en Rose
Noch nie in meinem Leben bin ich mit der Nachricht aufgewacht das das Klo kaputt ist und ich ab jetzt auswärts meine Geschäfte erledigen muss. Bis heute.
Wenn man sein Leben lang damit aufwächst die Jause in der Früh schon in Tupperwares bereit gestellt zu haben, nie dreckiges Geschirr länger als 10 Minuten in der Spüle liegen sieht und die Mama schon nervös wird wenn die paar Schuhe, die im Vorzimmer stehen, nicht perfekt nebeneinander aufgestellt sind, ist es ein bisschen ungewohnt den Alltag in einem unorganisierteren Haushalt zu erleben. Genau das ist nämlich bei mir gerade der Fall.
Also ja, es ist eine Überraschung für mich gewesen, dass so etwas wie eine kaputte Toilette überhaupt existieren kann und man allen Ernstes damit konfrontiert wird sich eine andre Möglichkeit für seine Geschäfte zu suchen. Aber (ich danke Gott) gibt es ja das Studio im Erdgeschoss, das (ebenfalls danke Gott) in den nächsten Tagen nicht vermietet ist. Wenn ich also das Gefühl habe die Toilette aufsuchen zu müssen kann ich ganz einfach in die Wohnung nebenan gehen und dort gemütlich aufs Klo gehen. Ich könnte die Möglichkeit jetzt lange und ausführlich ausführen, was passiert wäre wenn es, wie in 99% aller Haushalte, keine unbewohnte Wohnung mit Toilette im Erdgeschoss gibt, aber ich belasse es dabei und erspare uns allen die Kopfkinos.
Generell fühle ich mich hier in eine Welt hineinkatapultiert die sich so gänzlich von dem Haushalt zu Hause unterscheidet wie nur möglich. Man muss wissen, es gibt wenige Personen die so (über)organisiert sind wie meine Mama und das hat anscheinend deutlich auf alle anderen Familienmitglieder abgefärbt. Wenn ich also eine Spüle voller dreckigen Geschirr sehe werde ich regelrecht nervös, stürme sofort auf die Abwasch zu und befriedige mein Bedürfnis sauber zu machen. Passiert das ganze am nächsten Morgen wieder bin ich zwar etwas stutzig, wie man so ein faux-pas nochmal passieren lassen kann aber wieder gewinnt mein Sauberkeitsfetisch Überhand und ich tue was getan werden muss. Sehe ich das ganze Szenario aber nicht mal 12 Stunden später, nach dem Abendessen wieder, muss ich mir die Frage stellen was passiert wenn ich nicht da bin? Werden Geschirr-stapel-Wettbewerbe in der Spüle veranstaltet? Man weiß es nicht, will es aber eigentlich auch nicht.
Aber gut, es hat immerhin einen Grund warum ich da bin! Und jetzt nicht falsch verstehen, ich fühle mich hier bei Vika und Maxim immer noch unglaublich wohl und bin froh mithelfen zu können. Denn obwohl es hier sehr heimelig ist, wohne ich in einem dieser Häuser die man betritt und sofort das Bedürfnis hat aufzuräumen. Und ich darf das sogar! Yeeey! Träume werden also doch wahr!
Während ich mich also aufmache ins Klo im unteren Stockwerk zu gehen summe ich leise "la vie en rose" und freue mich das selbst im idealisierten Frankreich nur mit heißen Wasser gekocht wird.
Bzw muss ich leider schon zugeben das man sich das kochen eigentlich auch sparen könnte weil die Baguettes und der Käse einfach zum sterben köstlich sind und man sich den Rest des Lebens einzig und allein davon ernähren sollte, wenn man in Frankreich lebt. Also ja, diese Klischee muss ich deutlich unterstreichen und zugeben das selbst Reis mit darauf zergangener Butter besser schmeckt als in meinem trauten Heimatland.
PS: So und jetzt noch mal ganz ehrlich dazu wie es mir im Moment hier in Ventabren geht. Mir geht es vorzüglich und ich muss echt nicht viel arbeiten, aber es ist nun mal viel lustiger über Dinge herzuziehen als einfach zu erzählen wie gut es mir hier gefällt. Aber ja, ich bin schuldig im Sinne der Anklage: ES IST HIER EINFACH ECHT SUPER aber darüber kann ich keinen Blogpost füllen. Ich muss in etwa 3-4 Stunden am Tag "arbeiten" wobei ich das Babysitten mit Maxim eigentlich nicht als großartige Arbeit beschreiben würde, genauso wenig wie das Herrichten des Studios wo ich währenddessen in Ruhe laut zu meiner Lieblingsplaylist mitsingen kann.
Ich habe endlich einmal Zeit. Zeit zu lesen, Zeit zu schreiben, Zeit Filme zu schneiden, Zeit zum stundenlang auf YouTube unnötige Videos zu schauen... Sogar um zwei Mal nach Aix en Provence zu fahren hatte ich Zeit. Und ich muss sagen das kleine Städtchen hat es mir ganz schön angetan! In dem Straßenlabyrint mit kleinen Gassen voller bunter Häuser könnte man stundenlang umherspazieren.
Es geht mir also bestens und mittlerweile steht es auch genauso um meine Sprachkenntnisse. Ich tue mir bedeutend leichter beim Verstehen und ja: es ist wahr: Ich kommuniziere tatsächlich auf Französisch! Mit Vika, mit Maxim, mit dem Busfahrer, mit Vikas Freunden, mit dem Eisverkäufer, dem Mann an der Supermarktkasse und Maxims Freunden. Ja, nach 9 Tagen in Frankreich fühle ich mich tatsächlich bereit mein Eis in der Landessprache zu bestellen. Dabei lasse ich unerwähnt das wir das buchstäblich in der ersten Schulwoche gelernt haben als ich vor 6 Jahren angefangen habe Französisch zu lernen. So macht also jeder seine kleinen Fortschritte. Wobei ich es eigentlich als Meisterleistung beschreiben würde, dass ich heute Morgen freundlich mit einem französischen Kemptner über die kaputte Toilette philosophiert habe. Also ich weiß nicht mehr so genau warum ich mich geweigert habe die französisch Mündlich-Matura zu machen bei der ich 5 Minuten über meine Lieblingssportarten reden muss, wenn ich so etwas meistern kann. Naja, diese Frage wird sich wohl spätestens dann beantworten lassen wenn ich wieder Wiener Boden unter den Füßen habe und innerhalb 5 Tagen alles vergessen habe was ich hier nützliches gelernt habe. Stichwort: Klobrille heißt auf Französisch siege de toilette. Gern geschehen.