Ohne Atemschutzmaske und Seife in Sri Lanka

02.11.2020

Als die Corona-Pandemie ausbricht, befinde ich mich in Sri Lanka. Geschützt uns sicher fühle ich mich dort nicht. 

Die Stimmung kippt zwei Tage vor unserer Abreise. Der Ort, an dem wir uns aufhalten heißt Unawatuna und ist tot. Eigentlich gilt er als einer der bekanntesten Touristenorte im Süden der Insel, bei dem jeder Halt macht. Mittlerweile sind nur noch Briten und Russen da - und wir. Unser Flug geht am Samstag. Jetzt ist Montag und die allgemeine Meinung ist, dass Samstag die Welt untergegangen sein wird und alle Flugzeuge und Flughäfen mit ihr. Wir rasen zum Flughafen, um unseren Starttermin umzubuchen, müssen aber schließlich einen neuen Flug kaufen - alle Plätze in Fliegern unserer ursprünglichen Fluglinie sind bis Samstag schon voll. Wir fliegen jetzt am Mittwoch, die Welt muss sich nur noch zwei Tage lang weiterdrehen.

Die Hautfarbe spricht für sich

Am Weg zurück in den Süden der Insel streikt der Taxifahrer. Er diskutiert mit dem Hostel-Rezeptionisten und nimmt uns schließlich nur mit Atemmaske mit. Corona ist das erste und einzige Gesprächsthema, wir versichern, schon seit zwei Wochen im Land zu sein und daher nicht gefährlichere potenzielle Anstecker als seine Landsleute zu sein, überzeugen ihn aber scheinbar nicht. Unsere Hautfarbe spricht für sich.

Sie haben aufgegeben, also sollen wir es auch

Im Hostel in Unawatuna angekommen versichert der Rezeptionist, dass er von einem Freund erfahren hätte, dass der Flughafen bereits geschlossen sei. Nicht die einzigen Fakenews die uns in den letzten Tagen verfolgten, uns immer wieder kurz Angst einjagten und dann durch (nicht mal wirklich tief gehende) Recherche entkräftet werden können. Mit uns leben noch eine Italienerin und ein pessimistischer israelischer Gestrandeter im Hostel. Sie haben aufgegeben, also sollten wir es in ihren Augen auch.

Am Weg ins Ortszentrum begegnen wir spielenden Kindern. Sie stoppen, zeigen auf uns und rufen "Corona". Kurz darauf radelt ein älterer Herr an vorbei, der einen Heuberg auf den Fahrradträger geklemmt hat. Er grinst mich an und sagt dasselbe. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll. Seit einer Woche werden alle Touristen, die in die ins Land fliegen für zwei Wochen in Quarantäne gesteckt, es müsste als klar sein, dass wir uns schon länger auf der Insel befinden. Der Rassismus, den ich in meinen letzten beiden Tagen in Sri Lanka erlebe, lässt mich verzweifeln und ist etwas, was ich in diesem Ausmaß noch nie am eigenen Leib spüren musste.

Der Einstieg in den Bus wird uns verwehrt

Schließlich ist Mittwoch, die Welt dreht sich noch und wir wollen zum Flughafen. Allerdings will uns niemand dahin mitnehmen. Buslinien 32 und 2 fahren nach Colombo, in die Hauptstadt, in der wir in einen anderen Bus zum Flughafen umsteigen müssen. Der erste Bus mit der Nummer 32 fährt an uns vorbei. Sicher ein Versehen, denke ich und gebe mir daher beim zweiten Bus mit der richtigen Nummer besonders Mühe, gesehen zu werden. Der ältere Herr, der mit uns an der Bushaltestelle gewartet hat, steigt ein, dann rollt der Bus weiter. Henri, auch diesmal mein Reisebegleiter, steht noch im Bus und kämpft. Nein, nein man fahre nicht dahin wo wir hin wollen, versichert man uns bevor wir überhaupt ein Ziel genannt hatten. Die Männer im Bus tun alles, um uns am Einsteigen zu hindern, schließlich stolpert Henri hinaus.

Als auch der dritte Bus mit der Nummer 32 an uns vorbeirollt, verliere ich meine Beherrschung. Diese Ohnmacht ist so unfair und skurril, dass ich schreie. Wie eine Wahnsinnige schreie ich auch dem nächsten Bus mit der richtigen Nummer unser Ziel hinterher, nachdem auch dieser nach Winken und Augenkontakt mit dem Fahrer an uns vorbeigezogen war. Widerwillig bejaht der Fahrer, er ist nach Colombo unterwegs. Schließlich haben alle Insassen gehört, wo wir hin wollen, eine Lüge über die Destination würde der gesamte Bus mitbekommen. Henri rennt mit den Rucksäcken hinterher, der Bus erbarmt sich, ein wenig langsamer zu fahren und wir huschen durch die Hintertür rein. Sofort wird für uns Platz gemacht, erstmals in Sri Lanka haben wir eine Sitzreihe nur für uns.

Wir sind hier schon öfters mit dem Bus gefahren. Ein "zu voll" gibt es in dem Verkehrsmittel nicht, die Mitfahrer stehen so gedrängt wie in der U-Bahn in Tokyo. Diesmal sehe ich ein paar Atemmasken, manche ziehen sich den Pulli über den Mund, wenn sie in unsere Nähe kommen. Ein Maskenträger kauft Nüsse von einem der Händler, die ihre Waren in den engen Bussen anbieten. Der Alte nutzt seine Hand, um die Nüsse in die Papiertüte zu stopfen, der Fahrgast schiebt sich die Nüsse mit seinen Fingern in den Mund. Danach schnell wieder die Atemmaske auf, schließlich sind Weiße in der Nähe.

Nicht vergessen, die Hände gründlich zu waschen. Oder überhaupt

Hände waschen als Herausforderung klingt lächerlich im Vergleich zu dem, was in Europa passiert. Aber selbst diese Aufgabe scheint in der ersten Woche unseres Aufenthalts schier unmöglich. Teilweise können wir uns tagelang nicht die Hände mit Seife waschen. In Restaurants, Hostels und touristischen Orten finden wir quasi nie Seife. Von dreißig Sekunden mehrmals täglich gründlich mit Seife waschen sind wir weit entfernt. Nach ein paar Tagen entschließen wir uns, unser Shampoo zur Hilfe zu nehmen, und es als Seife umzufunktionieren.

Nein, in einem Land ohne Seife wollen wir in den nächsten Monaten nicht gegen Corona kämpfen und schaffen es schließlich zum Flughafen. Von 1,5 Meter Abstand ist hier natürlich nicht zu sprechen,und selbst auf der Flughafentoilette ist der Seifenspender leer. Unser Hostelrezeptionist, der mit dem Freund am Flughafen, der ja schon geschlossen sein soll, erzählt uns von der neuesten Strategie, den Virus zu bekämpfen: von nun an muss jeder ein Desinfektionsmittel mit sich tragen. Keine Ahnung wo man die noch herbekommen soll.

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