Warum Backpacking anders ist, als alle anderen Reisen
Man kann einen Ort, ein Land, auf so viele Arten erleben. Reisen ist eine Kette von zufälligen Erlebnissen, die aneinandergereiht unsere Impression von einem Ort bilden. Schlafe ich während meines Aufenthaltes in einem Hostelbett, dass vier Euro kostet oder in einem teuren Resort? Besuche ich den Ort in der Hauptsaison oder Nebensaison? Ist das Wetter sonnig? Mit wem bin ich da?
Reisen mit meiner Familie, die mich in Vietnam besucht, ist so anders von meinen vorherigen Backpacking-Erfahrungen in Asien, dass ich gar nicht damit umzugehen weiß. Erst einmal ist es ungewohnt für mich, so gewohnte Menschen in einem anderen Land wiederzusehen, und nicht zu Hause. Für uns alle ist die Umgebung hier fremd. Sie besuchen also weder mich, noch ich sie. Wir haben sozusagen ein gemeinsames Projekt: Vietnam erkunden.

Keine Pause
Aber auch dieses Erkunden ist zusammen anders als ich es in den letzten Monaten gemacht habe. Abgesehen von dem Offensichtlichen: Ich bleibe in Hotels statt Hostels, die Reise ist organisiert und vollgepackt mit Aktivitäten und ich reise natürlich nicht mehr alleine. Meine Familie hat genau zwei Wochen Urlaub vom Alltag und muss alles reinpacken was geht. Entdecken, Entspannung, Kultur, Abenteuer, Vietnam. Wie sehr ich es genieße, normalerweise einfach mal einen Tag verschwenden zu können. Ich erinnere mich jetzt, dass das bei meinen vorherigen Urlauben meist nicht möglich war.
Der Unterschied ist, dass diese große Reise auf der ich gerade bin, jetzt mein Leben ist. Es ist nicht nur ein temporärer Urlaub, bei dem ich mich für ein paar Wochen auspowere, und mir dann zurück in meinem normalen Leben Zeit für Dinge nehmen kann, die ich im Entdeckungs-Urlaub nicht gemacht habe.
Aber nachdem man monatelang unterwegs ist, wie ich es im Moment bin, lernt man, sich auch Zeit fürs leben auf Reisen zu nehmen. Es ist ok, wenn ich einen Vormittag nur ausschlafen will. Es ist ok, wenn ich so aufs Schreiben konzentriert bin, das ich für ein paar Stunden völlig vergesse, was für spannende Sachen es in dem Ort zu sehen gibt, an dem ich gerade bin.
Einfach Dinge auslassen
Früher hat mich die Vorstellung wahnsinnig gemacht, an einem Ort zu sein, und nicht alles gesehen zu haben, was es zu sehen oder tun gibt. Jetzt erlaube ich mir, auch mal Sachen auszulassen, von denen ich weiß, dass sie großartig sein könnten, wenn ich im Moment keine Lust darauf habe. Ich kann während meine Reise nicht ALLE Sachen machen, die an den Orten, an denen ich bin, zu machen sind. Ich bin erst 18, ich muss noch nicht alles gesehen haben. Dasselbe gilt aber auch wenn ich 38 oder 58 bin. Es ist ok, auf sich selbst zu hören, wenn man einfach mehr Lust hat, den Nachmittag in einer Buchhandlung zu verbringen, als auf dem Hop on Hop off Bus. Denn wenn man für eine so lange Zeit reist, muss man sich Zeit zum Verschwenden gönnen. Ja, ich könnte auch in Wien Bücher lesen, Filme schneiden oder Serien schauen. Aber niemand zwingt mich 24/7 zu entdecken, nur weil ich im Moment in Asien bin.
Aber wieder zurück zum Reisen mit meiner Familie. Sie sind gezwungen alles, was sie erleben wollen, in diesen zwei Wochen Vietnam unterzubringen, und ich merke einen deutlichen Unterschied am Reiseerlebnis. Versteht mich nicht falsch, es ist wunderbar, viel von einem Land in kurzer Zeit zu sehen! Man lernt in kurzer Zeit einiges, gewinnt eine Menge neuer Eindrücke. Aber normalerweise brauche ich nach einem aktiven Entdeckungstag Zeit um zu verarbeiten, was ich erlebt und gelernt habe. Geht es aber am nächsten Tag gleich mit dem nächsten Abenteuer weiter, kommt man erst nach der Rückkehr nach Hause wieder zum Stillstand.

Ich liebe die Planlosigkeit
So schön es auch ist, zur Abwechslung mal eine eigene Dusche und Waschbecken zu haben, vermisse ich es, in Hostels zu schlafen. Ich vermisse es, andauernd spannende, neue Leute kennenzulernen. Ich mag es, spontan entscheiden zu können, wo es als Nächstes hingeht, und mit den verbundenen Risiken zu leben, wenn nichts geplant ist. Ich mag die Unsicherheit, die Spannung, wenn man unorganisiert und spontan ist. Mag es wo anzukommen, und erst einmal keine Ahnung zu haben, was man hier machen kann und vor allem, was ich hier machen will, mag es aufzustehen, und keine Ahnung zu haben, wo ich heute einschlafen werde. Ich mag es, Zeit für mich alleine zu haben, in der ich einfach planlos herumspazieren und nur beobachten kann.
Eigentlich dachte ich, dass es nach dem Besuch meiner Familie und der Pause vom rustikalen Reiselifestyle schwer werden würde, wieder zum Backpacking-Lifestyle zurückzukehren. Sprich in Gemeinschaftswaschräumen zu duschen und mit zehn Wildfremden im Zimmer zu schlafen. Es mag wohl nicht wie der angenehmste Lifestyle wirken, aber ich würde diese Reise Art gegen keine andere tauschen wollen.
Was würde ich ändern?
Gerade lese ich ein Buch von Meike Winnemuth, die bei "Wer wird Millionär" eine halbe Million gewonnen hat, und damit um die Welt reist. Natürlich hat dieses Buch auch bei mir die Frage aufgeworfen, was ich mit solch einer Summe anstellen würde. Die Antwort lautet natürlich: Reisen. Aber weiterhin genauso, wie ich es gewohnt bin. Mit straffem Budget. Gut, vielleicht würde ich mir hin und wieder die teureren Hostes um acht Euro pro Nacht mit Pool gönnen, statt die um die Hälfte, aber ich bin ein Fan vom billigen Reisen, nicht nur wegen des ersparten Geldes. Ich habe das Gefühl Land und Leute so bestens kennen zulernen. Wird der Transport vom Reisebüro von A nach B vorher organisiert und läuft reibungslos ab, wie würde ich dann die Erfahrung bekommen, wenn man plötzlich in irgendeinem Ort gestrandet ist, und sich von dort selbst einen Plan überlegen muss, wie es weiter geht? Reisen besteht doch auch aus all den nicht perfekt gelaufenen Dingen.
Natürlich verstehe ich, dass es unmöglich ist, so eine Art des Reisens umzusetzen, wenn man beispielsweise nur zwei Wochen hat, und ein Land so gut wie möglich kennenzulernen. Da ist es dann aber eben auch so, dass man zu Hause dann entspannen kann, und den Eindrücken nach der Heimkehr Platz geben kann, um drüber nachzudenken. Nur an einer Sache halte ich fest: Ein Land erlebt man definitiv intensiver, ist man mit dem Rucksack unterwegs, und hat erst keine Ahnung, wie es bei mir meistens der Fall ist. Denn wenn man ohne Erwartungen herangeht, entpuppt sich jedes positive Erlebnis als Überraschung.