Warme Weihnachten
Mitleid, Entsetzen und Verwirrung sehe ich in den Gesichtern der Menschen, wenn ich erzähle, dass ich über Weihnachten verreise. Und das nun schon mehrere Jahre in Folge.
Über Weihnachten war ich in den letzten Jahren in Vietnam, der Karibik, den kanarischen Inseln, Mauritius und auf den Philippinen. Immer gemeinsam mit meiner Familie. Meistens atmen die Gesprächspartner jetzt erleichtert auf, sind aber noch nicht ganz entspannt. "Aber Weihnachten heißt doch zu Hause sein, Schnee und Weihnachtsbaum?". Aber wer hat sich das überhaupt ausgedacht? Wer sagt denn, dass Weihnachten zwingend am 24. Dezember gefeiert werden muss?
Die meisten Jahre tricksen wir das Christkind einfach aus uns lassen es uns die Geschenke schon vorab bringen. Dann setzten wir uns am vierten Adventssonntag zusammen und feiern wie am 24. Mit Bescherung, großem Essen und Zusammensein. Diese Weihnachtsfeiern bedeuten für mich nicht weniger Weihnachten, nur weil sie nicht am 24. Dezember gefeiert wurden.
Außerdem hat meine Familie ihre eigene Tradition entwickelt. Wir schummeln Vanillekipferl in unser Handgepäck und versuchen einige Exemplare heile in das Land zu bringen, in dem wir den Weihnachtsurlaub verbringen. Am 24. stoßen wir dann mit unserem Weihnachtsgebäck an. Und Vanillekipferl schmecken am jamaikanischen Strand genauso gut wie zu Hause.
Außerdem konnte ich so schon viele Weihnachtsbräuche in verschiedenen Ländern kennenlernen. Dieses Jahr verbrachte ich den 1. Weihnachtstag in Sagada, einem Bergstädtchen im Norden der Insel Luzon auf den Philippinen. Die Menschen leben in ärmlichen Verhältnissen, die wenigsten Häuser sind für die kühlen Temperaturen gemacht, die es hier gibt. Mittags, am 25. Dezember, herrscht Aufregung in den Straßen. Nein, der Weihnachtsmann kommt nicht - sondern gleich sechs Weihnachtsmänner und Weihnachtfrauen. Auf einem Pickup stehen die Jugendlichen verkleidet und schmeißen mit prall gefüllten Tüten voller Süßigkeiten um sich. Die Kinder sind außer sich vor Freude und auch die Erwachsenen werden reichlich mit Süßem beschenkt. Die Weihnachtsgehilfen drehen sich noch einmal um und werfen unzählige Schokoladebonbons in die Menge. Der Vorrat sollte bis nach Ostern reichen.
Mein Weihnachtsessen fällt in diesem Jahr dafür leider spärlich aus. Kalte Frühlingsrollen, mein Magen will für mehr nicht mitspielen. In der rustikalen Hotellobby überreichen meine Familie und ich uns Geschenke, außer uns ist niemand da. Auch der 24. in Vietnam vor zwei Jahren war eher ernüchternd. Die meisten der Koffer meiner Familienmitglieder waren nicht mit ihnen angekommen, so gab es auch keine Geschenke, zumindest nicht am vorgesehenen Tag.

Für mich geht es aber an Weihnachten schon lange nicht mehr um den einen bestimmten Tag. Es geht um all die Glühweine, die Adventskalendertürchen und die Zeit, in der man überlegt, wie man seinen Liebsten eine Freude machen kann. Weihnachten ist nicht zwingend der 24. Dezember, Weihnachten ist wann und so lange man es will.